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Hilfe durch Zeit und Zuwendung

Hilfe durch Zeit und Zuwendung - Interview mit Christl Weimann
Hilfe durch Zeit und Zuwendung - Interview mit Christl Weimann

Interview: Christl Weimann zur Entwicklung des ambulanten Hospizes Frankenberg

Hilfe und Begleitung für Sterbende und ihre Angehörige – das ist die Hauptaufgabe des ambulanten Hospizes Frankenberg. Rund 1000 Patienten haben die speziell dafür ausgebildeten Ehrenamtlichen bereits betreut, seit der Hospizverein vor 20 Jahren gegründet wurde. Über die Entwicklung des Vereins und der Hospizarbeit im Frankenberger Land sprachen wir mit der Vorsitzenden Christl Weimann.

Frau Weimann, was waren die Hauptgründe, warum Dr. Petra Vahle-Hinz und Sie sich vor 20 Jahren für die Gründung des ambulanten Hospizes in Frankenberg eingesetzt haben?
Mit dem Fortschritt von Medizin und Technik nimmt das Bedürfnis der Menschen, sich mit Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen, immer mehr ab. Die Leute werden statistisch gesehen älter. Das geht einher mit der Verdrängung des Todes. Dazu trägt auch bei, dass die meisten Menschen nicht mehr zuhause sterben, sondern in Kliniken und Altenheimen. Diese zunehmende Entfremdung will die moderne Hospizarbeit überbrücken. Sowohl Frau Dr. Vahle-Hinz als auch ich waren begeistert von dieser Hospizarbeit. Bedenkt man, dass die Hospizarbeit erst vor 25 Jahren in Deutschland Fuß gefasst hat, sind 20 Jahre eine beträchtliche Zeit.

Was genau tun Sie, um der Entfremdung vom Thema Sterben und Tod entgegenzuwirken?
Wir haben in den vergangenen 20 Jahren rund 52 ehrenamtliche Sterbebegleiter ausgebildet. Wir haben rund 1000 Patienten und ihre Angehörigen betreut. Wir reden mit ihnen, wir hören zu, wir sind einfach nur da.

Wo treffen Sie die todkranken Menschen?
In den ersten Jahren haben wir die Menschen vor allem zuhause besucht. Doch immer weniger Kranken haben die Möglichkeit, die letzte Lebensphase in ihren eigenen vier Wänden zu verbringen. Deshalb verlagert sich unsere Arbeit in Krankenhäuser und Altenheime. Und seit 2016 sind wir auch ehrenamtlich im stationären Hospiz in Frankenberg tätig.

Dass es dieses erste stationäre Hospiz im Landkreis überhaupt gibt, das ist dem ambulanten Hospiz und auch Ihrem persönlichen Engagement zu verdanken.
Ja, ich habe für eine solche Einrichtung gekämpft. Ein Grund war, dass ich schwerstkranke junge Menschen in ihrem Sterbeprozess begleitet habe, die in Altenheimen betreut werden mussten, weil es für sie keine andere Möglichkeit gab. Unser Ziel ist es, den Patienten die letzte Lebensphase so angenehm wie möglich zu gestalten. Im stationären Hospiz können sterbende Menschen eine adäquate Behandlung und Schmerztherapie bekommen und sie werden in einer fast familiären Atmosphäre betreut.

Ist mit der Einrichtung des stationären Hospizes die Arbeit für die Ehrenamtlichen weniger geworden?
Nein, überhaupt nicht. 1998 war unser ambulantes Hospiz eher eine Nische in der Gesundheitsversorgung. Heute ist unsere ehrenamtliche Arbeit aus dem ambulanten und stationären Bereich der palliativen, also schmerzlindernden, Versorgung nicht mehr wegzudenken. Neben Ärzten, Pflegekräften und anderen hauptamtlich Tätigen haben die Ehrenamtlichen weiter eine wichtige Rolle. Sie werden sowohl bei der Betreuung in den Familien, in Krankenhäusern und Altenheimen als auch im stationären Hospiz selbst gebraucht. Menschen, die Interesse an dieser Arbeit haben, sind uns sehr willkommen.

Sie sprachen davon, dass das Thema Tod bei vielen Menschen ein Tabu-Thema ist. Wie begegnen die Menschen denn dem Hospizverein und dem stationären Hospiz?
Anfänglich gab es sicher Skepsis und eine große Scheu. Wir erfahren aber auch ein großes Interesse, wie der Pflegedienstleiter des stationären Hospizes, Herr Eddy Röse, von zahlreichen Besuchergruppen im stationären Hospiz berichtet. Ebenso gibt es immer wieder eine Spendenbereitschaft, die uns in unserer Arbeit unterstützt.

Was ist Ihr Wunsch für die weitere Hospizarbeit – sowohl für das stationäre wie für das ambulante Hospiz?
Eine gute Organisation mit vernetzter, kooperativer Betreuung und Versorgung in der Sterbebegleitung, bei der professionelle und ehrenamtliche Hospizbetreuung Hand in Hand gehen. Das heißt für mich, dass palliativmedizinische und palliativpflegerische Kompetenz und hospizliche Haltung stärker in der Versorgung verankert und gelebt werden. Aus meiner Sicht sind auch Diskussionen in der Politik über die Weiterentwicklung der Hospizangebote und der vertraglichen Rahmenbedingungen notwendig. Hospize dürfen nicht als reine Wirtschaftsbetriebe gesehen werden. Sie haben einen wichtigen Stellenwert in unserer Gesellschaft.

Ihr persönliches Engagement für die Hospizarbeit ist enorm. Was fasziniert Sie an dieser Arbeit?
Ich arbeite in der Hospizbegleitung, weil mich der Übergang von Leben und Tod, von Erde und Himmel fasziniert und ich bei einer Begleitung ein bisschen daran teilhaben kann. Und weil dabei die wesentlichen Dinge zum Vorschein kommen. Ich erlebe, wie wohltuend eine Unterstützung auch für Angehörige in solch einem Ausnahmezustand sein kann. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass der Sterbeprozess jedes Mal anders abläuft. Durch meine beruflichen Erfahrungen in der Pflege habe ich oft beobachten können, dass der sterbende Mensch an Lebensqualität gewann, wenn Zeit, Zuwendung, Selbstbestimmung, und Empathie vorhanden waren.

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Quelle: HNA vom 19.11.2018; Bericht Martina Biedenbach; Foto: Susanna Battefeld/nh